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Geschichte

Als erste und letzte Wirkungsstätte von Johann Heinrich Pestalozzi (1746–1827) geniesst der Neuhof einen hohen Bekanntheitsgrad. Zeugen sind noch heute die beiden Häuser aus Pestalozzis erster und zweiter Neuhofzeit (1773–1780: Pächterhaus, 1825–1827: Herrenhaus).

Der Neuhof

Bauer wollte er werden, auf dem Lande leben und seine eigenen Felder bestellen. So plante der junge Stadtzürcher Johann Heinrich Pestalozzi, als er im Frühjahr 1771, 25 Jahre alt, mit seiner Frau Anna im neu erbauten Haus am Fuss des Kestenbergs im Birrfeld, in seinem «Neuhof», einzog. Doch der gute Wille und die rastlose Arbeit auf den schwer zu bebauenden Äckern brachten nicht den erwarteten Ertrag. Daran änderte auch die Mithilfe der «armen Kinder», die er im Haus aufnahm und zu praktischem Werk ebenso anleitete, wie er sie als Lehrer schulte, nichts. Sein Experiment als Landwirt und als Leiter einer Armenanstalt scheiterte, weil «er Arbeitskräfte gesucht und Menschen gefunden hatte». «Diese Entdeckung darf wohl als das bleibende Erbe der Anstalt Neuhof bezeichnet werden» («Pestalozzi» von Peter Stadler, Verlag NZZ, 1988). 1779 verkaufte Pestalozzi einen Teil des Neuhofs, konnte aber trotzdem auf seinem Gut bleiben. Innerstes Anliegen wurde nach 1780, als die letzten Kinder auszogen, sein Erziehungsideal, aus dem Neuhoferlebnis erwachsen, zu veröffentlichen. Pestalozzi schrieb. 1799 verliess er seinen Neuhof und kehrte erst 1825, alt und gebrechlich, zurück. Trotzdem half er bei der Realisierung eines neuen Armenhauses, denn: «Um in der Erziehung das Höchste zu leisten, ist der Neuhof gebaut.» Die Fertigstellung des sogenannten Herrenhauses erlebte er nicht mehr; er starb 1827 in Brugg. 1840 verkaufte sein Enkel Gottlieb das Gut.

Achtmal wechselte das Landgut den Besitzer. 1891 erwarb schliesslich Graf de Béon aus Paris den Neuhof. Schon vorher hatten verschiedene Pestalozzi-Verehrer den Gedanken erwogen, ihn für gemeinnützige Zwecke zu kaufen. Als 1904 der französische Besitzer Verkaufsabsichten äusserte, wurde die «Nationalisierung» ernsthaft an die Hand genommen. In Brugg bildete sich ein Komitee, das aber, wie 1907 auch der Basler Lehrerverein, des hohen Preises wegen die Pläne fallen lassen musste. Erst als die Witwe des Grafen de Béon das Gut dringend veräussern wollte und eine Zürcher Firma als ernsthafte Interessentin fand, kaufte der Arzt Dr. Robert Glaser aus Muri den Neuhof, um ihn weiteren Händeln endgültig zu entziehen. Eine Gruppe von Persönlichkeiten brachte dann den Plan, die «Stiftung einer landwirtschaftlich-gewerblichen Kolonie zur Erziehung und Berufslehre für Knaben, für die sich besondere Erziehungsmassnahmen als notwendig erweisen», vor Volk und Behörden. Ende 1912 war, dank einer öffentlichen Sammlung in den Schulen, eine Viertelmillion zusammen, die den Kauf und bauliche Massnahmen zur Realisierung ermöglichte.

1913 wurde das Ehepaar Baumgartner-Räz zu Hauseltern gewählt.

Am 12. Januar 1914 konnte der erste Heimbetrieb aufgenommen werden. Man liess sich von Pestalozzis Neuhof-Unternehmen leiten, indem man für die «Zöglinge» auf dem Neuhof Lebensbedingungen schuf, die dem Jugendlichen nicht bloss existenzielle Sicherheit boten, sondern Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten eröffneten, die schliesslich zu einem selbstbestimmten Leben führen sollten. Die Beschäftigungsmöglichkeiten im Gutsbetrieb wurden bald ergänzt: Es kam eine Gärtnerei hinzu; später folgten eine Schuhmacherei und eine Schneiderei. Bereits in den ersten Jahren wurden die Jugendlichen in der eigenen, internen Berufsschule unterrichtet.

In den kommenden Jahren prägen zwei Bestrebungen die Entwicklung des wiedererstandenen Erziehungsbetriebs: Erhalt und Ausbau eines aktuellen Schul- und Berufsbildungsangebots sowie Erweiterung und Renovation der bestehenden Unterkünfte und Gebäulichkeiten. So kamen eine Schreinerei und eine Schlosserei hinzu, und es wurde eine Abschlussklasse eingeführt. Ende 1954 arbeiteten in den sechs Betrieben 74 Jugendliche, dies bei insgesamt 20 Angestellten.

Einen Markstein in der Neuhof-Geschichte stellt das Jahr 1972 dar. Mit den vier neuerstellten Gruppenhäusern wurde, im Zuge der allgemeinen Entwicklung im schweizerischen Heimwesen, die Gruppenbetreuung eingeführt. Grundlage dieses mächtigen Ausbauschrittes war eine weitgehende finanzielle Sicherheit durch die Beitragsverpflichtung der öffentlichen Hand.

Die letzten 30 Jahre Neuhof-Geschichte sind geprägt durch den fortlaufenden Ausbau der berufspädagogischen Angebote sowie die Professionalisierung in der Sozialpädagogik.

Das Pächterhaus

Ehemaliges Wohnhaus der Familie Pestalozzi. Erbaut wurde es 1770. Ursprünglich zweistöckig geplant, konnte es wegen Geldmangels nur einstöckig gebaut werden. Für ein Bauernhaus auf dem Land war es sehr herrschaftlich konzipiert, wofür Pestalozzi bei den benachbarten Birrer Bauern auf wenig Verständnis stiess.
1858 brannte das Haus völlig nieder. Es wurde möglichst originalgetreu und unter Verwendung der alten Mauern wiederaufgebaut.
Nach der Anstaltsgründung 1914 diente es als Wohnhaus für die Jugendlichen. Nach dem Bezug des Zentralbaus wurde im inzwischen zweistöckigen Haus im Parterre eine Schneiderwerkstatt eingerichtet, während der erste Stock weiterhin von einer Gruppe Jugendlicher bewohnt wurde. Ab 1980 war darin die Aussenwohngruppe untergebracht.
1988/89 wurde das Haus innen völlig umgebaut. Bis 2004 befanden sich im Parterre die Administration und im Obergeschoss die Wohnung der Heimleiterfamilie. Im 2005 wird die Wohnung für weitere Büroräume der Geschäftsleitung genutzt.

Das Herrenhaus

1821/22 wurde mit dem Bau begonnen. Es war als Anstaltsgebäude und Armenhaus geplant. Der Enkel Pestalozzis, Gottlieb, vollendete nach dem Tod Pestalozzis den Bau. Beim Brand 1858 blieb es vom Feuer verschont. Nach der Anstaltsgründung 1914 wohnten bis zum Bau der Gruppenhäuser (1972) die Heimleiterfamilie, eine grosse Anzahl Jugendliche (2 Schlafsäle, 7 Einzelzimmer) und Angestellte im Haus. Seither befinden sich darin Schul- und Werkräume.
Im Herbst 1995 wurde die Aussenfassade renoviert und nach dem ursprünglichen Vorbild wiederhergestellt.

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